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Der Charkiwer Verein „Tschatschimo“ unter der Leitung von Mykola Burluzkyj beschäftigt sich mit Ausbildung und Rechtsschutz bei der Integration der Roma in die ukrainische Gesellschaft. Mykola träumt davon, dass mehr ausgebildete Roma zu verantwortungsvollen Bürgern der Ukraine werden und die Interessen der Roma-Gemeinschaft dezent vertreten können.

Nach einer Umsiedlerwelle aus dem Donbas wurde Sloboschanschtschyna zur dritten Region mit den konzentrierten Siedlungen der Roma in der Ukraine (nach Transkarpatien und Bessarabien). Als Folge der Kollektivierungspolitik der Sowjetunion sind alle Roma im Osten der Ukraine in die Gesellschaft integriert, aber trotzdem gibt es oft Diskriminierung wegen ihrer Nationalität..

Nach einer Umsiedlerwelle aus dem Donbas wurde Sloboschanschtschyna zur dritten Region mit den konzentrierten Siedlungen der Roma in der Ukraine (nach Transkarpatien und Bessarabien). Als Folge der Kollektivierungspolitik der Sowjetunion sind alle Roma im Osten der Ukraine in die Gesellschaft integriert, aber trotzdem gibt es oft Diskriminierung wegen ihrer Nationalität.

In diesem Jahr gab es 6 Fälle der Angriffe auf die Roma-Siedlungen in Kyjiw, Lwiw und Ternopil.

Misstrauen zu den staatlichen Behörden, Schwierigkeiten mit Ausweisen und Vorurteile am Arbeitsplatz lassen die Mehrheit der Roma nicht zum gleichwertigen Teil der Gesellschaft werden. Dazu noch leben diese Leute asozial, sind leicht zu bemerken, dabei diejenigen, die genug integriert sind, sprechen nicht so laut über ihre Nationalität, weil sie Angst vor Diskriminierung haben. Verallgemeinerung und Betonung der Nationalität in Zusammenhang mit Diebstahl und Betteln in Medien schaffen subjektive Stereotype. Alle diese Faktoren sind in engem Zusammenhang. Um diesen zu brechen, braucht man eine lange gut koordinierte Zusammenarbeit der Behörden, der Roma-Gemeinschaft und der ganzen Gesellschaft.

„Tschatschimo“: Ausbildung und Rechtsschutz

Der Charkiwer Roma-Verein „Tschatschimo“ wurde 2005 gegründet. Diese Organisation beschäftigt sich mit Ausbildung und Rechtsschutz für die Roma.

Zuerst machte „Tschatschimo“ vorwiegend Ausbildungsprojekte: Schulvorbereitung, Schulungen für Eltern, Literaturübersetzungen in Romani. Der Leiter des Vereins „Tschatschimo“ Mykola Burluzkyj erzählt, dass 2014 auch die Rechtsschutzarbeit notwendig war:

„Es gab damals sehr viele Roma-Umsiedler. Dazu noch sahen wir, dass es negative Tendenzen in Verhältnis zu den Roma gäbe. Wir sahen Geschichten mit Bränden, mit Ermordungen in anderen Regionen der Ukraine. Bei uns in Charkiw gab es keine großen Probleme, bis Mai 2016, als ein Rom im Dorf Wilschany ermordet wurde. Aber als es schon zur Regelmäßigkeit in der Ukraine geworden ist (was ähnliches geschah in Kyjiw, Winnyzja, Lwiw), wie kann man garantieren, dass sowas hier nicht passiert? Wir schauen, welche Schritte man einleiten kann, wir haben Treffen mit der Nationalen Polizei, um diese Fragen zu lösen. Wir sind auf dem richtigen Weg für Rechtsschutz und Sicherheit der Roma-Gemeinschaften.“

Es ist nicht einfach zu zählen, wie viele Roma heute in der Region derzeit wohnen. Man kann keine genauere Statistik führen, weil manche Roma keinen Ausweis haben oder sie nirgendwo angemeldet sind. Dazu noch können sie innerhalb des Landes migrieren. Mykola Burlutzyj ist der Meinung, dass die Roma in Sloboschanschtschyna ein besseres Leben im Vergleich zu den Roma in Transkarpatien haben:

„Ich bin der Meinung, dass das Integrationsniveau der Roma im Osten der Ukraine etwas höher ist. Vielleicht ist es historisch bedingt. Das war noch unter Chruschtschow, nach seinem Erlass, der Nomadismus und Vagabundentum verbat. Damals wurden Roma gezwungen, ihr Nomaden-Leben zu verlassen. Wenn die Roma in Lager wohnen, findet die Integration langsamer statt. Wenn sie aber getrennt wohnen, dann spüren sie einen stärkeren Einfluss der ukrainischen Kultur und Sprache.“

Die Aufgabe von „Tschaschimo“ ist nicht nur die Aufmerksamkeit der Behörden zu den Roma-Problemen zu wecken, sondern auch den Roma selbst beizubringen, sich an der Problemlösung der Gemeinschaft zu beteiligen. Die Organisation findet in der Roma-Gemeinschaft 10-12 aktive Leute und macht Schulungen für sie: Rechtsschutz, Kommunikation mit Behörden. Von der anderen Seite führt „Tschatschimo“ auch Schulungen über Mentalität und Kultur der Roma durch, man lernt auch dabei, Kontakte mit ihnen richtig zu knüpfen:

„Wir verstehen, wie wichtig es ist, dass die Leute mehr über die Roma wissen und dass die Roma mehr Kenntnisse über den Staat haben und ganz genau verstehen, was es bedeutet, einen Bürger/eine Bürgerin des Staates zu sein. Wir arbeiten aktiv daran, dass die Roma-Gemeinschaft auch ihre Selbstverwaltung hat, im guten Sinne dieses Wortes. Zur Zeit haben wir Kooperation mit den staatlichen Behörden und einen Plan. Die Behörden haben Verständnis dafür, dass man ohne Roma selbst nichts für die Roma effizient machen kann. Und damit die Roma eine aktive Position hätten, muss man mit ihnen systematisch arbeiten.“

Am 8. April 2017, am Internationalen Roma-Tag, fand in Charkiw ein festliches Flashmob statt. Dutzende Roma in Nationaltracht gingen durch die Straßen des Stadtzentrums und dann gab es ein Konzert im zentralen Park. Die Teilnehmer sangen auch die Nationalhymne der Ukraine sowohl auf Ukrainisch als auch auf Romani, Mykola Burluzkyj spielte Gitarre dabei:

„Wir haben sehr interessante Bands, die man kennt und liebt. Ich bin der Meinung, dass wenn es keine Roma-Lieder oder Tänze gäbe, dann ginge es den Roma sehr schwer. Weil durch ihre Tänze sie ihre Gefühle, ihre Weltanschauung ausdrücken können.“

Mykola

Mykola Burluzkyj wurde in Russland in der Familie von Servitka-Roma geboren, einer Roma-Ethnogruppe, die in der Ukraine vor 400 Jahren geformt worden war. Mykola war 10 Jahre alt, als die Familie Burluzky nach der Stadt Wowtschansk umzug, 72 km von Charkiw entfernt. Dort begann er eine Protestanten-Kirche zu besuchen. In der Stadt Merefa nahm Mykola Burluzkyj an Missionierungen teil und gestaltete die Kirchen-Gemeinschaft. Anfang 2000ern begann er mit der Übersetzung der Bibel ins Romani:

„Wir wohnten in einem Haus, ich ging zur Schule und habe 11 Klassen erfolgreich beendet. Alle Mitglieder meiner Familie haben eine Ausbildung. Wir sind aber eine ganz traditionelle Roma-Familie. Unsere Nachbarn waren Ukrainer, Russen und meine Kindheit war multikulturell. Jetzt ist es mein Vorteil, dass ich die Mentalität sowohl von Slawen, als auch von Roma verstehe. Deswegen fällt es mir einfacher, den Dialog da aufzubauen. Wenn du dich mit den Werten von anderen Leuten auskennst, dann ist es schon einfacher, mit ihnen auf dem Niveau ihrer Werte zu kommunizieren.“

Mykola erzählt, dass Roma in 13 ethnische Gruppen verteilt sind. Sie haben ihre eigene Kultur und Gemeinschaftsstruktur. Aber trotzdem haben alle Roma Werte, die von Generation zu Generation vererbt werden:

„Die Familie ist die Roma sehr wertvoll. Eltern und Kinder. Man sieht kaum ältere Roma bei den Altersheimen, es gibt kaum Roma-Kinder bei den Kinderheimen. Weil es für die Roma unvorstellbar ist, ein Kind ohne Familie zu verlassen. Es gibt sehr viel Barmherzigkeit in der Roma-Mentalität. Wenn man nach einem Glass Wasser fragt, wird der Rom nie absagen. Unter Roma ist es so, dass wenn du ein Stück Brot hast, wirst du teilen. Ich möchte das alles nicht idealisieren, weil es ja verschiedene Leute gibt, aber ich spreche jetzt von den Werten, die in der Roma-Kultur und Traditionen vorhanden sind.“

Mykola Burluzkyj betont, dass die Integration nicht nur für Roma, sondern auch für die Ukrainer und für die ganze Gesellschaft notwendig ist.

„Ich bin der Meinung, dass Separatismus damit beginnt, dass man das Land in Roma und nicht Roma teilt. Wenn man Nationalitäten teilt. Ich sage, dass ich ein Ukrainer bin, weil meine Familie da wohnt, weil das mein Land ist. Und wenn wir diese Wände zerstören und sagen, dass wir einheitlich sind, das ist dann für die ganze Ukraine positiv. Ich verstehe, das diese Arbeit alle glücklich macht.“

Mykola träumt davon, dass die Roma in der Ukraine gleich wert wie die Ukrainer selbst wären. Zuerst muss man einen Menschen an anderen sehen, meint er, und dann kann man schon die Nationalität und andere Merkmale beachten:

„Ich träume davon, dass die Roma-Aktivisten auch in Politik gehen, dass sie sich auch bei Selbstverwaltung beteiligen, dass sie die Interessen der Roma-Gemeinschaft vertreten. Dass die Roma nicht nur Bürger wären, sondern auch die Verantwortung in diesem Land übernehmen könnten. Ich träume davon, dass Roma und Ukrainer nebeneinander stehen, die Roma ukrainische Lieder singen und die Ukrainer Zigeuner-Tänze tanzen. Ich bin gläubig und ich weiß, dass wenn es keine Liebe gibt, kommt was Böses. Wenn die Leute keine Liebe zueinander haben, wird diese Welt nicht mehr lange existieren. Vielleicht denke ich zu idealistisch, aber ich verstehe, dass es Werte gibt, die für alle Leute wichtig sein sollen.“

Beitragende

Projektgründer:

Bogdan Logwynenko

Autorin des Textes:

Natalija Ponedilok

Redakteurin:

Jewhenija Saposchnykowa

Projektproduzentin:

Olha Schor

Fotograf:

Artem Halkin

Kameramann:

Oleg Solohub

Oleksij Pantschenko

Regisseur:

Mykola Nossok

Bildredakteur:

Olexandr Chomenko

Transkriptionistin:

Wiktorija Woljanska

Folge der Expedition