Kunst aus Cherson inspiriert von Polina Rajko

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Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel wurde 2021 veräußert. Seitdem hat der Krieg in der Ukraine die Region Cherson fest im Griff. Wjacheslaw Maschnyzkyj wird seit der russischen Übernahme vermisst, und Polina Rajkos Haus wurde aufgrund der Zerstörung des Kachowka-Damms schwer beschädigt.
Außerhalb der Metropolen scheint moderne Kunst eher die Ausnahme als die Regel zu sein. Die Künstler, die hinter der „Polina Rajko Wohltätigkeitsstiftung“ und dem Museum für zeitgenössische Kunst stehen, stellen diese Vorstellung jedoch in Frage.
In einer gewöhnlichen Wohnung in der Stadt Cherson hat Wjatscheslaw Maschnyzkyj einen künstlerischen Raum und eine Plattform für den Austausch kreativer Ideen geschaffen.
Gemeinsam mit anderen Gleichgesinnten engagiert er sich für die Bewahrung und Förderung des künstlerischen Erbes von Polina Rajko – der Vertreterin der naiven Kunst in der Stadt Oleschky.

Seit fast hundert Jahren hat sich avantgardistische Kunst rund um Cherson verbreitet. Ihre Geschichte ist mit kreativen Genossenschaften und Individuen verbunden, in denen sich die Künstlerinnen vereinigten.
Der Pionier dieser Bewegung war der Künstler und Dichter Dawid Burljuk, der ursprünglich aus der historischen Region Poltawa stammt und heute oft als Vater des russischen Futurismus bezeichnet wird. Im Jahr 1898 landete er aufgrund des Militärdienstes seines Vaters im Süden der Ukraine, wohin er zahlreiche Freunde, u. a. die Schriftsteller Wladimir Majakowski, Boris Lawrenjow, Welimir Chlebnikow, Benedikt Liwschiz und den Maler Michail Larionow einlud, um gemeinsam Ferien im Dorf Tschornjanka in der Nähe von Cherson zu verbringen.
Der während dieser Zusammenkünfte entstandene Verein „Hilea“ engagierte sich für die Veröffentlichung von Sammlungen futuristischer Poesie, die Schaffung neuer Gemälde und die Durchführung archäologischer Ausgrabungen (was zu dieser Zeit nur von einem begrenzten Kreis von Antiquitätenbegeisterten ausgeübt wurde – Anm. d. Red.).

Es ist jedoch noch zu früh zu behaupten, dass moderne Kunst für das Chersoner Publikum unabdingbar geworden sei.
So wurde eine Studie zur Untersuchung von Freizeitaktivitäten der Stadtjugend im Jahr 2020 von CEDOS in Kooperation mit der Ukrainischen Kulturstiftung durchgeführt. Die Ergebnisse zeigten, dass kulturelle Veranstaltungen eine geringe Vielfalt aufweisen und sich eher an ein Massenpublikum richteten.
Jungen Menschen werden kaum Möglichkeiten zur Selbstdarstellung und anregenden künstlerischen Veranstaltungen geboten.

Die kulturelle Welle ist allerdings kaum noch zu stoppen. Die Wiederbelebung der freien Kunst begann 2002 im südlichen Teil der Dnipro-Flussaue genau in jenem Dorf Tschornjanka.
Der Verein „Totem“ veranstaltete dort das erste Terra Futura-Festival, wobei das Thema Hilea – die lokale Region – im Mittelpunkt stand, die laut Herodot Geburtsort der Nomadenvölker der Skythen und deren Stelen (Steinmenschen oder „Balbal“) war.
Gleichzeitig entwickelte sich das große Theaterfestival „Melpomene von Tawrija“ dynamisch: innerhalb von 20 Jahren wurden hunderte Vorstellungen und sogar immersive Theaterstücke im Wald aufgeführt.
Ferner wurde das ehemalige Gelände des Maschinenbau Werkes zu dem Open-Air-Kunstraum „Urban CAD“ transformiert, einem lebendigen Veranstaltungsort für zahlreiche Festivals, Ausstellungen und anderen Events.

Zu einem weiteren anschaulichen Beispiel des modernen Kunstlebens zählt das Museum für zeitgenössische Kunst in Cherson, das aus dem Projekt der regionalen Wohltätigkeitsorganisation benannt nach Polina Rajko entstanden ist. Wer also war Polina?

Naive Kunst

Unter den vielfältigen Stilen und Genres der zeitgenössischen Kunst nimmt die naive Kunst einen besonderen Platz ein. Im Hinblick auf ihre Bedeutung spricht der Name „naive Kunst“ für sich selbst: Der Kunststil wurde von inspirierten Laienkünstlern geschaffen, die ihre Visionen anhand einfacher künstlerischer Darstellungen zum Ausdruck bringen.
Die naive Kunst als solche existiert seit jeher, ihre Blütezeit erreichte sie jedoch insbesondere im 19. und 20. Jahrhundert. Zu den weltberühmten Vertretern dieser Stilrichtung gehören Edward Hicks, Niko Pirosmani, Henri Rousseau sowie die ukrainischen Künstlerinnen und Künstler Marija Prymatschenko, Kateryna Bilokur und Epifaniusz Drownjak (auch als Nikifor bekannt).
Polina Rajko (richtiger Name Pelaheja Rajko) war ebenfalls eine solche Künstlerin. Sie lebte in der taurischen Stadt Oleschky in einem südukrainischen Region Cherson. Erst im Alter von 69 Jahren entdeckte sie ihre künstlerische Ader, als sie zum ersten Mal in ihrem Leben den Pinsel in die Hand nahm und zu malen begann.

Polinas tragisches Leben war von zahlreichen Schicksalsschlägen geprägt, was leider typisch für viele Frauen aus den Kleinstädten der UdSSR in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war. Ihr Mann war Alkoholiker, ihre Tochter verstarb bei einem Verkehrsunfall, ihr jüngster Sohn war drogensüchtig und umgab sich zu Hause regelmäßig mit zwielichtigen Personen. In ihren letzten Jahren lebte Polina alleine in ihrem Haus in der Nyschnjastraße oberhalb des Flusses Tschajka (Nebenfluss des Dnepr). Sie arbeitete hart und gab alles bis hin zum letzten Groschen für einfache Farbkästen aus einem Baumarkt aus. Ihr Sohn, der ihre Begeisterung nicht teilte, machte sich darüber ständig lustig. Polina aber war dieser Spott bereits gleichgültig.

Polina Rajkos künstlerische Bestrebungen kannten keine Grenzen. Sie verwandelte alles in eine Leinwand: jede Wand, jede Decke, den Ofen, das Tor, den Zaun, die Aussenküche. Nur die Hundehütte blieb „verschont“, da Polina nicht mehr dazu kam, diese zu bemalen. Ihr Talent blieb nicht unbemerkt. Wjatscheslaw Maschnyzkyj, ein Künstler und gleichzeitig Gründer des Museums für zeitgenössische Kunst in Cherson, erzählte von seiner Bekanntschaft mit Oma Polina.

„Öko-Touristen stießen zufällig auf die faszinierende Oma und ich hatte das Vergnügen, sie beim „DidTseBaba-Festival“ kennenzulernen. Als ich ankam und ihre Zeichnungen sah, wurde mir klar, dass das etwas Wunderbares war. Ihre Kreationen waren grandios und zwischen uns entwickelte sich eine Freundschaft. Ich war von ihrem Talent so fasziniert, dass ich ihr sogar vorschlug, mein Schlafzimmer zu bemalen.“

Für eine bescheidene ältere Frau war es ein echter Trost, mit Künstlern in Kontakt zu treten. Aus einigen erhalten gebliebenen Interviews wird ersichtlich, wie viel Freude sie daran hatte, ihre Ideen mit ihren Gesprächspartnern zu teilen.

Wjatscheslaw erinnert sich: „Ich besuchte sie und brachte Farben sowie Papier mit, damit sie mit verschiedenen Materialien experimentieren konnte. Sie brachte eine unerschütterliche Neugierde mit. So lief unsere Zusammenarbeit ab.“

Polina Rajko starb im Winter 2004 im Alter von 75 Jahren. Ihr Weggang spiegelt den einfachen und naiven Geist wider, den sie trotz aller Lebensumstände bewahren konnte. Ihre Nachbarin Alla Zborowska erzählt: „Es war ein kalter Januartag, als ich Polina mit Eiskrem in der Hand unterwegs gesehen habe. Ich fragte sie: „Willst du das wirklich essen?“ Und sie antwortete: „Ja, ich habe Lust darauf“. Sie genoss ihr Eis und danach sah sie niemand mehr. Als die Nachbarin am nächsten Morgen nach ihr schaute, fand sie Polina leblos in ihrem Haus. Sie klagte nie über irgendwelche Krankheiten oder Schwierigkeiten und war immer gut gelaunt und scherzte gerne mit allen. Humor war ihr Begleiter durch das Leben. „So sahen wir uns das letzte Mal.“

Jedes Zimmer in Polina Rajkos Haus ist mit Fresken geschmückt, die unterschiedliche Motive abbilden. Sie malte alles, was ihr ins Auge fiel: von Kalendern, Heiligenbildern bis hin zu Weinflaschenetiketten.

Unter den verschiedenen Motiven auf ihren Wänden findet sich auch Platz für ein Kunstwerk mit sowjetischem Thema. Polina hatte vom 9. Mai (Tag des Sieges über den Nationalsozialismus im Zweiten Weltkrieg – Anm. d. Red.) geträumt und malte ihn sofort an die Wand. Gleichzeitig befand sich an der gegenüberliegenden Wand die Abbildung einer Kathedrale. Das aber löste bei der Schöpferin keinen inneren Konflikt aus: ihr tief verwurzelter Glaube an Gott koexistierte harmonisch mit ihrer starken Verbindung zur Sowjetunion.

Eines ihrer bemerkenswerten und geschätzten Werke trägt den Titel „Der Weg zum Paradies.“ Darauf ist ein brauner Kopfsteinpflasterweg zu sehen, der direkt zu einem sowjetischen Sanatorium (oder auch Heilstätte) führt. Die Malerin hatte eine besonders tiefe Zuneigung zu diesem Kunstwerk und war sehr stolz darauf.

Eines der furchterregendsten Bilder hängt über dem Ofen in ihrem Wohnzimmer. Es zeigt einen gezahnten Raben, der ein Kind in seinem Schnabel hält. Es stellt eine Allegorie des Bösen dar, die Polina Rajkos Tochter Olena auf eine tragische Weise von ihr wegnahm.

Im selben Wohnzimmer malte Polina Rajko anhand von Hochzeitsfotos ihren Hochzeitstag nach. Das auffälligste Merkmal des Raumes ist jedoch die aufwändig bemalte Decke. Die Künstlerin stellte einen Tisch auf den anderen, legte sich ganz oben hin und malte stundenlang. Auf der Deckenoberfläche entstanden als Ergebnis fantastische Darstellungen von Schmetterlingen, Leoparden und Krokodilen. Zwar hatten sie kaum Ähnlichkeiten mit ihren realen Verwandten, jedoch entsprangen sie der lebhaften Fantasie der Künstlerin, so wie sie sich die Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum vorstellte.

In der Welt der modernen Kunst von Cherson hinterließ Polina Rajko weitreichende Spuren, die über ihr eigenes Haus hinausreichen. Auf eine indirekte Weise gelang es ihr, eine Gemeinschaft aufzubauen, die bis heute lokale Künstler unterstützt.

Nach dem Tod der Künstlerin stellte Wjatscheslaw fest, wie wichtig es sei, ihr Erbe zu bewahren. Als er Rajkos Haus erneut besuchte, sah er, wie ihr Enkel mit einem von ihr bemalten Zaun den Ofen befeuern wollte. Maschnyzkyj erinnert sich: „Um ihre Kunstwerke zu retten, haben wir diese anfangs von ihrem Enkel gekauft.“ Dann forderten wir ihn auf, weiterhin im Haus zu wohnen und auf alles acht zu geben, aber nichts anzufassen. Ein Jahr lang wurde er von uns dafür bezahlt, bis wir einen Käufer für die Immobilie gefunden haben. Parallel wurde eine Stiftung gegründet, um unsere Idee, Polina Rajkos Namen zu ehren, zu verwirklichen.

So wurde im Jahr 2004 der Chersoner Wohltätigkeitsfond, benannt nach Polina Rajko, gegründet. Diese Organisation fungiert als Förderer von Künstlern aus unterschiedlichen Disziplinen wie Kunst, Musik und Literatur.

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Moderne Kunst von Cherson

Im Herzen von Cherson, nur wenige Schritte vom Swobody-Platz entfernt, fügt sich ein unscheinbares fünfstöckiges Gebäude in die umliegende Stadtlandschaft ein. Erst wenn man nach oben blickt, erkennt man das Künstlerhaus. Seine untypisch hohen Fenster, die genug Licht in die Künstlerwerkstätte hineinlassen, sind ein Merkmal dafür, dass das Haus etwas Besonderes im Vergleich zu anderen Bauwerken aus der Chruschtschow-Ära der 1960er Jahre ist.

Das Gebäude wurde 1964 auf Kosten von Künstlern erbaut und verfügt über 24 Wohneinheiten, wobei sich in den beiden letzten Obergeschossen sechs Werkstätten befinden.

Heutzutage ist die Wohnung Nummer 8 als das Chersoner Museum für zeitgenössische Kunst bekannt, das 2004 von Wjatscheslaw Maschnyzkyj gegründet wurde. Das einzige Werk, welches sich außerhalb des Hauses von Polina Rajko befindet, wird hier aufbewahrt.

Die Gründung des Künstlerhauses wurde von Wjatscheslaws Vater – Walerij Maschnyzkyj, der selbst ein Künstler war, unterstützt.
Nachdem Wjatscheslaw Cherson 1986 verlassen und sein Studium an einer Kunsthochschule in Odessa abgeschlossen hat, machte er sich auf den Weg nach Kyjiw. Im Alter von 22 Jahren kehrte er nach Cherson zurück und begann, die Stadt und ihr Kunstumfeld neu zu entdecken.

Während seiner Zeit in Cherson entstand die Freundschaft mit Stanislaw Woljaslowkyj, einem international anerkannten ukrainischen Maler, der später mit dem Malewitsch-Preis ausgezeichnet wurde.
Woljaslowkyj prägte seinen Stil als sogenannte „Chanson Art“, der eine Kombination von kitschigen Szenen einer Provinzstadt umfasst, die er auf verschiedenen Textilien wie Bettlaken, Kissenbezügen, Tischdecken und Matratzen mit Hilfe von Applikationen und Kugelschreibern abbildete. Darüber hinaus kreierte der Künstler konventionelle und Videoinstallationen, machte Fotografien, schrieb Geschichten und Gedichte.

Kitsch
Stil der Massenkultur; Kunstobjekte auf niedrigem Niveau.

Gemeinsam mit Stanislaw Woljazlowkyj gründete Wjatscheslaw Maschnytskyj den Polina Rajko Wohltätigkeitsfond, aus dem schließlich das Chersoner Museum für zeitgenössische Kunst entstand. Maschnyzkyj stellt klar, dass das Museum in erster Linie als Plattform für die Aggregation kreativer Ideen und Menschen aus Cherson und nicht ausschließlich für die Verewigung von Meisterwerken gegründet wurde. Er erklärt:

„Jedes Haus ist im Grunde ein Museum. Jede Wohnung ist ebenfalls ein Museum. Deshalb habe ich ein Museum geschaffen, um Gäste willkommen zu heißen. Es ist gleichzeitig konstruktiv und inspiriert zum Leben.“

Zwar starb Stanislaw Woljaslowkyj im Jahr 2018 unter unbekannten Umständen, doch bleibt das Museum weiterhin geöffnet, wo seine Werke im Rahmen des Projektes „Originale“ ausgestellt werden.

Zusammen mit dem Fond und seinen Bewunderern hatten Stanislaw Woljaslowkyj und Wjatscheslaw Maschnyzkyj ein ehrgeiziges Ziel. Sie strebten danach, einen vollwertigen künstlerischen Raum zu schaffen, wo Künstler aus Cherson die Möglichkeit haben, sich zu versammeln, gemeinsam zu kreieren und in einen kulturellen Austausch zu kommen. Und es ist ihnen gelungen: Der Fond vereint nicht nur lokale Akteure, sondern bindet auch regionale Projekte ein. So organisierte im Jahr 2020 der Fond in Cherson verschiedene Kunstaufführungen im Rahmen des ukrainischen GogolFests (Festival der Gegenwartskunst) unter Beteiligung von Künstlern aus angrenzenden ukrainischen Gebieten.

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Eine der bemerkenswertesten Ausstellungen im Museum ist die „CHERART“ (Chersoner Kunst), die im Jahr 2013 eröffnet wurde. Im Rahmen dieser Ausstellungen wurden die Werke von vier Künstlern – Wjatscheslaw Maschnyzkyj, Oleksandr Schukowskyj, Oleksandr Petscherskyj und Stanislaw Woljaslowskyj präsentiert. Mit der Vorstellung ihrer Arbeiten haben die Künstler die „CHERART“ zum Phänomen proklamiert.
Allerdings erhielt die Ausstellung von der Stadtbevölkerung eine skeptische Resonanz. Die Kunst war oft provokativ und in vielen Aspekten auch obszön, sodass sogar der lokale Fernsehsender den Namen der Ausstellung in einer seiner Reportagen zensierte. (Auf Ukrainisch hat „cher“ eine obszöne Konnotation — Anm. d. Red.)
Trotz diesem Umstand wurden im Jahr 2020 Werke von 25 Künstlern in Form von Gemälden, Videografiken sowie Musikstücken präsentiert.

Die Quarantäne brachte alle Künstler aus verschiedenen Städten und Ländern zusammen und gab einen starken Impuls für die Chersoner Kunstszene. Eines der Werke war Julia Logatschowas Bildpanel mit dem Titel „Myropryjemstwo“, welches aus 20 Kacheln mit kleinen Skizzen besteht. Alleine der Titel des Kunstwerkes betont ironisch die Chersoner Sprachmischung sowie den Wunsch der Bevölkerung in den „Frieden“ zu gehen und sich etwas „Gutes“ zu tun. (ukrainisch „myr“ wie „Frieden“ und „pryjemno“ wie „angenehm oder gut“ — Anm. d. Red.).

Maschnyzkyj erklärt: „CHERART“ ist die Wahrnehmung der Welt durch das Chersoner-Prisma, das den Stadtalltag widerspiegelt. Aufgrund des lokalen Flairs und der Einstellung der Menschen kann man behaupten, dass die Stadt Cherson ihre einzigartige Sicht auf Phänomene und sogar Kunst hat.

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Trotz dessen hat „CHERART“ seine Reichweite über die Grenzen des kleinen Museums hinaus erweitert und seinen Platz in der Ausstellungshalle des regionalen Künstlerverbandes gefunden.
Eine andere bedeutende Ausstellung, die im Museum im September 2020 vorbereitet wurde, war die „Schylpas“ im Rahmen der Zusammenarbeit der Künstler Wjatscheslaw Poljakow und Elena Subatsch. Sie wählten Werke der chersoner Fotografin Schanna Wosbrannaja und stellten diese in einer Ausstellung aus. „Schylpas“ beinhaltet Fotos, die von 2005 bis 2015 für Werbe- und Hochzeitsagenturen sowie für andere Zwecke aufgenommen wurden und somit das Leben im Süden der Ukraine so eingefangen haben, wie es wirklich ist.

Zu den weiteren bedeutenden Ereignissen zählt die Ausstellung „Verlassene Gemälde“ aus dem Jahr 2016. Maschnyzkyj erhielt Anrufe aus allen Bezirken der Stadt, als Bilder ohne Besitzer in Mülltonnen, in abgebrannten Häusern, in zum Verkauf stehenden Wohnungen oder an anderen Orten gefunden wurden.

„Das Schicksal jeder Zeichnung ist weggeworfen zu werden.“ Somit ist das Ziel dieser Ausstellung zu zeigen, dass alles vergänglich ist. Und doch schafft es die Kunst, auf die eine oder andere Art zu überleben. Dies ist der Weg der Kunst, und sie nimmt einen wichtigen Platz ein: Sie bricht durch Beton wie eine Pflanze.

So wurden etwa 40 Gemälde gesammelt und ausgestellt, wobei die Sammlung kontinuierlich gewachsen ist. Für eine neue Ausstellung aber mangelt es dem Museum leider an Platz.

Die Ausstellung „verlassene Gemälde“ war Maschnyzkyj erste gemeinsame Kooperation mit dem Designer und gleichzeitig dem Kurator des Museums, Semen Chramzow. Laut Chramzow erlangte die Ausstellung zusätzliche Symbolik dadurch, dass die Ehefrauen fast aller Kuratoren sie in den letzten zwei Jahren (vor der Organisation der Ausstellung) verlassen hatten.

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Die Ausstellung „Künstler in der Ukraine“ von Semen Chramtsow ist eine Hommage an den Künstler Walerij Popow, der als einer der Letzten handgemalte Plakatillustrationen für Filme, die im Kino „Ukraine“ in Cherson gezeigt wurden, zeichnete. Das Kinotheater, das sich nur wenige Schritte vom Künstlerhaus befindet, ist seit 2012 wegen Sanierungsarbeiten geschlossen.

Im Jahr 2020 wurde die Ausstellung wiederholt – zehn Jahre nach dem Tod des Künstlers Walerij Popow. Semen Chramtsow reflektiert Walerijs kreative Persönlichkeit: „Walerij war wie eine Druckmaschine – er zeichnete immer das Gleiche. Doch als die Zensur wegfiel, begann er, diese Werbeplakate auf seine eigene Art und Weise zu interpretieren, wodurch sie mit der Zeit ihre eigene Individualität bekamen. Menschen finden sie interessant, humorvoll, aber auch gefühlvoll. Im Internet wurde schon bald über den Künstler und seine Plakate gesprochen – es wurden Witze darüber gemacht und Memes erstellt.“

Während dieser Ausstellung machte Semen Chramzow zum ersten Mal Bekanntschaft mit der Arbeit des Polina Rajko Wohltätigkeitsfonds.
„Es wurde mir plötzlich klar, dass es möglich ist, die Ausstellung mit Arbeiten von verschiedenen Künstlern zu kombinieren“. Es ist wie eine kulturelle Erkundung und diese machte Riesen-Spaß. So erforschte ich in den letzten zehn Jahren Cherson und seine lokale Kultur. „Sie ist zwar klein, aber echt cool.“

Polina Rajkos Haus retten

Ein Teil der Kunstprojekte des Polina Rajkos Wohltätigkeitsfonds werden in ihrem Haus in Oleschky durchgeführt. Im Jahr 2016 fand die Aktion „Polinas Träume“ statt: Eine Woche lang hatten Künstlerinnen die Möglichkeit in dem Haus zu übernachten und ihre Träume oder (spontane) Ideen, die ihnen über Nacht in den Sinn gekommen sind, zu zeichnen. Die Stiftung organisiert diese Informationsarbeit zur Unterstützung des Hauses.

Leider ist es jedoch bis heute noch nicht gelungen, das Haus in ein vollwertiges Museumsobjekt umzuwandeln. Das Problem beruht auf der Tatsache, dass Polinas Erben beabsichtigten, die Immobilie als gewöhnliches Grundstück zu verkaufen. Um das Haus zu retten, wurde es Mitte der 2000er Jahre an ein kanadisch-ukrainisches Paar verkauft. Dies wurde durch die Organisation von Maschnyzkyj und seinen Künstlerkollegen aus Kyjiw ermöglicht, die einen Verkaufsvertrag erstellten. Nach einiger Zeit jedoch verlor sich der Kontakt zu den Eigentümern. Sie zahlten ihre Rechnungen nicht weiter und zeigten kein Interesse mehr an dem Haus.

An einem gewissen Punkt kamen die Investoren des Polina Rajko Wohltätigkeitsfonds zur Entscheidung, dass das Haus sowieso nicht mehr zu retten sei und entschieden, zumindest eine digitale Erinnerung daran zu hinterlassen. Durch detaillierte Fotoaufnahmen und eine präzise Dokumentation erlangte das Haus plötzlich große öffentliche Aufmerksamkeit, die zur Entwicklung von konkreten Projekten führte.

Das Hauptziel der Polina Rajko Wohltätigkeitsstiftung war ihr Haus in ein Museumobjekt umzuwandeln und angrenzend an das Gebäude weitere Verwaltungs- und Infrastruktureinrichtungen (zur Versorgung mit Strom, Heizung, Sicherheit etc.) anzubauen.

Heutzutage erlangt das Haus von Polina Rajko zunehmend an Bekanntheit in der ganzen Ukraine, wodurch der Wohltätigkeitsfond ebenfalls die Aufbesserung des Außenbereiches übernehmen konnte. Zuerst wurde geplant, eine Toilettenanlage einzurichten. Semen erzählt: „Ich habe gar nicht darüber nachgedacht und fragte die Nachbarin Alla Wolodymyriwna. Sie sagte: „Natürlich ist eine Toilette hier nötig. Zudem wäre es schön hier noch Bänke und einen Tisch zu haben, da hier Sitzmöglichkeiten komplett fehlen. Seit 15 Jahren haben Touristen keine Möglichkeit auf die Toilette zu gehen oder sich auszuruhen. Und jetzt sitzen wir hier, trinken Bier und können das WC nutzen. Wir bauen es aus eigenen Mitteln und Kräften aus.“

2021 sammelte der Fond Gelder für die Finanzierung des Brunnens im Innenhof des Hauses. Der Brunnen sieht in seiner Gestaltung einzigartig aus und unterscheidet sich deutlich von den typischen Brunnen in Oleschky. Es gibt hier sogar Tränken für Tiere.

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Um die Spendenaktion zu unterstützen und gleichzeitig die Kreativität der naivistischen Künstlerin neu zu interpretieren, hat die Designerin Natalija Ryschenko die Bekleidungskollektion „Polina Rajkos Geister“ entworfen. Dieses Projekt ist eine Kollaboration zwischen Natalijas Modeprojekt und dem Polina Rajko Wohltätigkeitsfond. Natalija hat eine tiefe Leidenschaft für Vintage Kleidung: Sie sammelt Stücke von renommierten Modehäusern wie Yves Saint Laurent, Gucci, Chanel, repariert diese und bereitet sie für die Wiederverwendung vor.

Natalija teilt ihre Sicht auf die Dinge mit uns: „Es macht keinen Sinn, immer neue Sachen zu kaufen, um den Massenmarkt zu unterstützen, wenn es zahlreiche Meisterwerke gibt, die von echten Genies geschaffen wurden.“ Man kann nach ihren Kreationen suchen und sie wiederverwerten. Ich persönlich habe große Freude am Prozess der Wiederverwertung und des Recyclings.

Vor einigen Jahren traf Natalija Wjatscheslaw Maschnytskyj und Semen Chramtsow und wurde von ihrem Wunsch, das Haus der Künstlerin zu restaurieren, stark inspiriert. Das Haus selbst hinterließ jedoch bei ihr einen noch tiefgreiferenden Eindruck. „Als ich ankam und das Haus gesehen habe, war ich erstaunt. Es ist so einzigartig und einfach nur T-Shirts mit kleinen Vögeln oder dem Portrait von Polina Rajko zu entwerfen, erschien mir uninteressant. Ich fing an nachzudenken und kam auf die beiden Jungs mit der Idee zu, eine Modekollektion zu kreieren.“

Die gesamte Kollektion wurde von Polina Rajko sowie den japanischen Modedesignern Yoji Yamamoto und Rei Kawakubo inspiriert, deren Arbeit die Designerin als „avantgardistische Destruktivität“ bezeichnete.

Nachdem das Konzept für die Kollektion feststand, erstellte Semen Chramtsow Schablonen, um bestimmte Bilder von Polina Rajko auf die Kleidungsstücke abzudrucken. Unter den ausgewählten Motiven waren Fische, Eulen, Katzen und Vögel, die Polina Rajko ihr ganzes Leben als Inspirationsquellen dienten.

Der Titel der Kollektion „Polina Rajkos Geister“ soll die Vorstellung von schwarzen und weißen Geistern erwecken und steht damit im Kontrast zu Polinas Helligkeit und Lebendigkeit, die oft bei der ersten Begegnung mit der Künstlerin entstehen. Ihr Leben war von Tragödien geprägt, die sich in der Bekleidungskollektion widerspiegeln. So entstand beispielsweise die Darstellung eines Bären auf einem Kleid:

„Da sie über einen eingeschränkten Zugang zu anderen Informationsquellen verfügte, fand sie Inspiration in allem was sie um sich herum sah: Sie ging zum Fluss oder warf einen Blick auf die Zeitschriften, die ihr zufällig unterkamen. Und auch dieser Bär war z. B. nur ein Aufkleber auf der Mineralwasserflasche „Arktis“, doch sie beschloss, ihn zu verewigen. Sie sah in ihm etwas unglaublich Schönes.“

Die Kunst sich selber treu zu bleiben, lockt immer wieder Sinnessuchende in das Haus von Polina Rajko. Der Wohltätigkeitsfond benannt nach der Künstlerin sorgt dafür, dass diese Inspirationsquelle möglichst lange erhalten bleibt. Ohne den Status eines Museums verwittern jedes Jahr immer mehr Fresken aufgrund von Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsschwankungen. Gleichzeitig bringt der Fond unterschiedliche Künstler zusammen und schafft für sie eine begehrte kulturelle Plattform.

Beitragende

Projektgründer:

Bogdan Logwynenko

Projektmanagerin:

Anastasija Schochowa

Autorin des Textes,

Transkriptionistin:

Yelyzaveta Wowtschenko

Chefredakteurin:

Natalija Ponedilok

Redakteurin:

Soja Schewtschuk

Projektproduzentin,

Interviewerin:

Karyna Piljugina

Produktionsassistentin:

Natalija Wyschynska

Julija Bespetschna

Fotografin:

Iryna Hromozka

Kameramann:

Pawlo Paschko

Serhij Tatarko

Filmeditorin:

Diana Horban

Regisseur:

Mykola Nossok

Bildredakteurin,

Fotografin:

Kateryna Akwarelna

Übersetzerin:

Albina Perets

Übersetzungsredakteur:

Oleksiy Obolenskyy

Koordinatorin der Übersetzung:

Olena Shalena

Korrekturlesen:

Phillip Babbi

Koordinatorin von Ukraїner International:

Julija Kosyrjazka

Chefredakteurin von Ukraїner International:

Anastasija Maruschewska

Content-Managerin:

Anastasija Schochowa

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