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Mitten in den Steppen von Saporischja in der Nähe des Dorfes Schyroke gibt es zwei Hangars, in denen Leichtflugzeuge für landwirtschaftliche Zwecke hergestellt werden. Zudem wurde hier an der Grenze zwischen den Regionen Pryasowja und Saporischja, auch eine Flugschule gegründet, um Piloten auszubilden, die die Flugzeuge steuern können.

Ukrainische Flugakademie TOW (vergleichbar mit der deutschen GmbH) “Chemische Luftfahrttechnologien” stellt ihre eigenen Flugzeuge her und hat ihren eigenen Flugplatz. Hier werden Piloten aus verschiedenen Kontinenten von professionellen Fluglehrer ausgebildet. Die besten Absolventen können in der Akademie als Fluglehrer und Piloten weiterarbeiten.

Der Gründer des Betriebes und der Akademie Witalij Jaryhin ist sicher: Die Zukunft liege im Flugverkehr. Und es gelte nicht nur für den öffentlichen sondern auch für privaten Gebrauch. Er habe sich ein anspruchsvolles Ziel gesetzt, die Ukraine mit Agrarflugzeugen zu versorgen.

Witalij Jaryhin ist ein professioneller Pilot aus Kyjiw, der eine Marineschule in St. Petersburg (das ehemalige Leningrad), eine Flugschule in Saporischja und eine Flugakademie in Kropywnytskyj (das ehemalige Kirowograd) hinter sich hat. Die Akademie hat Witalij 1991 absolviert. Und jetzt machen die heutigen Absolventen der Akademie bei ihm ihr Praktikum. Er habe seinerzeit eine Vereinbarung mit der Leitung der staatlichen Flugakademie der Ukraine, die Piloten ausbildete, getroffen. Die staatliche Einrichtung hatte keine eigene Flugzeuge, aber Witalij schon. So begann die Zusammenarbeit von zwei Einrichtungen – einer staatlichen und einer privaten.

Als Jaryhin 1997 Landbesitz in Saporischja anmeldete, hatte er noch keinen konkreten Plan. An jenem Ort gab es damals nur einen Misthaufen und eine Müllhalde. Alle fragten sich, wozu er das brauchte. Später verlegte er Betriebs- und Schulungseinrichtungen hierher: Der Standort an der Peripherie reduziert die Kosten für Ausbildung und Produktion.

Sein erstes Flugzeug hat der Flugzeugkonstrukteur 2004 in Kyjiw zusammengebaut. Danach wurde der Betrieb nach Saporischja verlagert. Am Anfang hat man die Hälfte der Teile selbst hergestellt. Die Serienproduktion darf laut Witalij erst nach Festlegung der technischen Eigenschaften des ersten Modells gestartet werden. Und es (das erste Modell) ist für den Konstrukteur goldwert – wegen des Zeitaufwands (1,5 Jahre), der Mühe und letztendlich der Produktionskosten. Jetzt, wenn alle erforderlichen Teile vorhanden sind, werden zwei Wochen für eine Herstellung von einem Flugzeug benötigt. Der gesamte Produktionszyklus, von der Anmeldung bis zum vollständigen Zusammenbau mit Ausstellung aller Unterlagen, dauert sechs Monate. Die Produktionskapazität ermöglicht die Herstellung von 4 Flugzeugen pro Monat. Momentan produziert der Betrieb jedoch fast keine Maschinen mehr – es gibt keinen Absatzmarkt. Witalij behauptet, dass Flugzeuge in der Ukraine fast nie für private Zwecke gekauft werden, da es fast keine Mittelschicht im Land gebe:

„Flugzeuge werden nicht tausendfach produziert und sind nicht für öffentliche Nutzung bestimmt. In der Tat sind sie ziemlich teuer. Und daher um Flugzeuge zu betreiben, muss man sie lieben.“

Für das Agrarflugzeug, das Witalij Jaryhin selbst entworfen hat, wurden alle Teile außer dem Motor, dem Propeller und den Flugzeugführungsgeräten hier in Schyroke hergestellt. Sogar Software zur chemischen Bewässerung von Feldern wurde hier entwickelt. Schrauben werden in Deutschland, der Motor und Geräte in den USA bestellt. Man habe 5.000 Euro gespart, indem man statt eine italienische Flugzeugsitze zu kaufen, diese selbst hergestellt habe.

Ein anderes Trainingsflugzeug aus eigener Herstellung kann überall und sogar nachts durch den Autopiloten gesteuert fliegen. Der Flugzeugkonstrukteur vergleicht die Preise: die Bremsbeläge der berühmten Diamond Aircraft-Flugzeuge kosten 5.000 Euro, während im von Witalij Jaryhin geleiteten Betrieb „CHeLT“ („Chemische Luftfahrttechnologien“) diese nur für 8 US-Dollar produziert werden. Daher hängt der Preis einer Flugstunde vom Preis der Einzelteile ab: für Diamond startet der Preis mit 700 Euro und für das Flugzeug aus seiner eigenen Produktion – liegt der Preis bei 120 Dollar. Insgesamt soll der Pilot 200 Flugstunden sammeln. So ist das Training ziemlich teuer.

„Seit der Unabhängigkeit der Ukraine sind hier rund 700 Flugzeuge für den privaten Gebrauch registriert worden. In Amerika dagegen werden jährlich etwa 120.000 Flugzeuge für den privaten Gebrauch verkauft. Sehen Sie den Unterschied? Deshalb bauen wir keine Flugzeuge für den privaten Gebrauch. Daher möchte ich Flugzeuge für die Landwirtschaft bauen. Und dafür braucht man viel Flugbesatzung. Ein verkauftes Flugzeug erfordert zwei ausgebildete Piloten. Aus diesem Grund bilden wir zuerst Piloten aus. Und es gibt eine fertige Serienproduktion, mit der wir jede Sekunde beginnen können. Es ist nicht schwierig.“

Im Betrieb arbeiten heimische Einwohner. Hier sind mehr als zwanzig Menschen beschäftigt. Manchmal gibt es jedoch Probleme mit qualifiziertem Personal sowie mit der Arbeitsdisziplin. Witalij glaubt, dass die Arbeit im Ausland für Ukrainer im Allgemeinen nützlich sei, weil sie dort arbeiten lernen:

„Ich bin dafür, dass alle ausprobieren, was ein 12-Stunden-Arbeitstag oder eine 6-Tage-Arbeitswoche bedeutet. Dass man versteht, wie das ist, wenn man sich für eine Minute verspätet hat und der ganze Tag nicht angerechnet wird. Das heißt, dass man arbeiten lernt.“

Die Flugakademie

Flugschule in Schyroke nimmt den ersten Platz in der Ukraine nach der Zahl der Absolventen ein. Seit 1999 wurden hier Ausländer aus 16 Ländern ausgebildet, hauptsächlich aus Afrika, Südamerika, Asien und manchmal auch aus Europa.

Jaryhin hat Wissenschaftler und Lehrer aus den führenden Fachhochschulen eingeladen. Dmytro Obidin, Professor und ehemaliger Vizerektor der Flugakademie in Kropywnytskyi, ist auch Mitarbeiter der „CheLT“-Flugakademie. Der Akademieleiter scherzt: „Es ist klar, dass man hier im Feld keinen Doktortitel erlangen kann. Der wird woanders erworben“. Und er ist stolz darauf, dass die Wissenschaftler der Akademie in Schyroke auch in Oxford unterrichten.

Die Theorie wird im 10 km entfernten Bezirkszentrum Weselyj gelernt. Und Schyroke ist eine Station für die praktische Ausbildung. Es gibt auch internationale Auszubildende aus acht Ländern. Im Jahr 2019 sollten 90 Personen aus China kommen.

Das Hauptziel der Akademie ist die Ausbildung von Piloten von Leichtflugzeugen für die Landwirtschaft. Azubis kommen nach Schyroke, nachdem sie an den Fachhochschulen studiert haben, um eine praktische Ausbildung zu absolvieren. Endgültige Zertifizierung der Piloten erfolgt durch den staatlichen Luftfahrtdienst.

Dmytro Obidin ist überzeugt, dass die Absolventen der Akademie in Schyroke eine gute Karriere machen können. Hier sammeln sie Erfahrungen und die erforderlichen Flugstunden. Danach ist der Weg zur „großen Luftfahrt“ (es geht um die großen Flugzeuge. — Ed.) für sie offen.

Der Fluglehrer Dmytro Klymenko glaubt, wenn jemand aus eigenem Wunsch zur Pilotenausbildung kommt, wird er sein Bestes tun:

„Die Jungs sind gescheit und modern, sie wissen, was zu tun ist. Auf solchen Menschen sollte die Luftfahrt ruhen.“

Dies bestätigt auch der Lehrer Dmytro Obidin. Er meint, es sei gut, mit jungen Leuten zu arbeiten. Aber wenn ein Mensch reifer und zielstrebiger ist, dann widmet er sich ganz der Arbeit und dem Studium und versteht, warum er es braucht.

Die Lehrer der Akademie in Schyroke meinen, dass das Investieren von Geld in eigene Ausbildung das wertvollste menschliche Bestreben ist. Daher wählen die Menschen, die verstehen, dass nur das Zeugnis an sich nichts wert ist, unsere Flugakademie.

Die Tatsache, dass der Lernraum außerhalb der Stadt liegt, vergünstigt den Lernprozess. Eine Unterkunft mit drei Mahlzeiten pro Tag kostet den Azubis 240 Hrywnjas pro Tag. Hier lernen auch viele Muslime, die aus religiösen Gründen kein Schweinefleisch essen. So werden speziell für sie Schafe gezüchtet.

Wenn die Lehrer ihre Akademie „CheLT“ mit staatlichen Bildungseinrichtungen vergleichen, betonen sie vor allem, dass die staatlichen Hochschulen in gewissem Masse träge und rückständig sind. Sie bräuchten es länger, um Entscheidungen zu treffen, und können nicht schnell auf dringende Bedürfnisse reagieren. Dies sei auf die große Anzahl von Kontrollorganen zurückzuführen.

Jedoch ist die Zusammenarbeit des Unternehmens mit Regierungsbehörden und insbesondere der lokalen Selbstverwaltung erfolgreich.

Die Partner von Witalij Jaryhin haben in Weselyj ein Solarkraftwerk für mehr als 400 Mio. Hrywnjas gebaut. Dies wurde dank der starken Motivation der lokalen Verwaltung für Zusammenarbeit mit Privatunternehmen und der absoluten Transparenz und Rechtmäßigkeit aller Vereinbarungen möglich. Petro Kijaschko, der Vorsitzende der Gebietskörperschaft in Weselyj, und der Unternehmer Witalij Jaryhin arbeiten eng zusammen und helfen sich gegenseitig: der Vorsitzende hilft dem Unternehmer bürokratische Hürden bei der Dokumentation zu minimieren und der Leiter des Unternehmens berät den Beamten in den wirtschaftlichen Fragen.

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Pilotenberuf

Die Fluglehrer der Luftfahrtakademie sagen, dass ihre Absolventen eine gesicherte Zukunft haben werden. Witalij Jaryhin bestätigt, dass die Piloten in der Ukraine nach den Fußballspielern am meisten verdienen.

Darüber hinaus ist der Beruf international ausgelegt und man kann sich weltweit um eine Stelle bewerben. Laut Jaryhin verdienen Piloten im Ausland von 15.000 bis 20.000 Dollar monatlich. Dies bestätigt auch Dmytro Obidin:

„Diesen Beruf suchen sich diejenigen aus, die darauf brennen. Wünscht man sich einen anderen Beruf, so fällt es einem schwer, sich damit tiefgründig auseinanderzusetzen und die Einzelheiten zu erlernen.“

Durch den Krieg und die Besetzung einiger ukrainischen Regionen ist die Zahl der Flüge in der Ukraine etwas gesunken. Doch mittlerweile wird der Flugverkehr immer intensiver und die Zahlen steigen wieder. Es ist noch Luft nach oben: das Fluggastaufkommen steigt, neue Flughäfen werden gebaut.

KRIEGSSITUATION
Durch die seit 2014 anhaltende russische militärische Aggression in der Ostukraine wurde ein Teil der östlichen Gebiete der Ukraine besetzt.

Ebenso gut stehen die Entwicklungschancen für den Einsatz der Leichtflugzeuge. Die Gefahr, durch Drohnen ersetzt zu werden, schließt Jaryhin aus:

„Wisst ihr, was eine Drohne mit Pestiziden an Bord bedeutet? Das ist eine fliegende chemische Waffe. Ein Flugzeugeinsatz hingegen wird durch drei Versicherungen geschützt: Haftpflichtversicherung, Versicherung des Flugzeugs und Versicherung der Besatzung.“

Die Herstellung der Drohnen ist nicht aufwändig, aber Schwierigkeiten können bei der Zertifizierung der Geräte entstehen. Zudem kostet die vom Boden gesteuerte Fernbedienung für sie ab 1,5 Mio. Euro. Deswegen ist Jaryhin überzeugt, dass Piloten der Leichtflugzeuge in der Landwirtschaft weiterhin arbeiten werden.

In der Zukunft können die Leichtflugzeuge als Flugtaxis eingesetzt werden. Fluglehrer und Pilot Dmytro Klymenko versichert, dass es heute das sicherste Verkehrsmittel ist. Darüber hinaus wird beim Fliegen Zeit gespart und der Treibstoffverbrauch ist fast wie bei einem Geländewagen:

„Kleinflugzeuge werden bei uns eingesetzt. Und Flugtaxis sind ein sehr guter Entwicklungsweg. Grob gesagt, man fährt mit einem SUV und tankt ihn auf. Oder man fliegt und tankt ein Flugzeug auf, das 20 Liter pro Stunde verbraucht. So kann man aber in drei Stunden schon in Kyjiw sein.“

Adrenalin für die Seele

Seine Motivation und die Pläne des Unternehmens betrachtet Witaliy Jaryhin ganz pragmatisch. Den tatsächlichen Erfolg kann man, seiner Meinung nach, erst an dem Endergebnis eines Geschäftsprozesses messen. So ist das Ziel des Flugunternehmens in Schyroke — ein flächendeckender Einsatz der Kleinflugzeuge in der ukrainischen Landwirtschaft.

Auf die Frage, welcher der beiden Prozesse — die Herstellung eines Flugzeugs oder das Fliegen — für ihn mit höheren Risiken verbunden ist, antwortet er, dass sie beide in dieser Hinsicht ähnlich sind. Bezogen auf die Sicherheit einer Person ist das Fliegen gefährlicher. Aus finanzieller Sicht ist der Mangel an Kosten für den Betrieb eine Risikosituation. Aber Witaliy Jaryhin sagt, dass er schon immer Spaß am Adrenalin hatte und sich deswegen diesen Beruf ausgesucht hat:

„Ich mag Tätigkeiten, die mit etwas Risiko verbunden sind, sodass man sich nicht langweilen kann. Wie Konfuzius sagte: ‚Wähle einen Beruf, den du liebst, und du brauchst keinen Tag in deinem Leben mehr zu arbeiten‘.“

Beitragende

Projektgründer:

Bogdan Logwynenko

Autorin des Textes:

Oryssja Schyjan

Redakteurin:

Kateryna Lehka

Projektproduzentin:

Olha Schor

Fotografin:

Chrystyna Kulakowska

Kameramann:

Pawlo Paschko

Serhij Kutscherenko

Oleksij Pantschenko

Filmeditorin:

Marija Terebus

Regisseur:

Mykola Nossok

Transkriptionistin:

Anna Jemeljanowa

Content-Managerin:

Kateryna Jusefyk

Übersetzerin:

Alla Mandzjuk

Marija Krytchak

Übersetzungsredakteurin:

Diana Melnyk

Folge der Expedition