Wie die Krym der russischen Besatzung Widerstand leistet

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Bereits im Jahr 2014 wurde die Halbinsel Krym (ukr: Krym; krymtatarisch: Qırım) von russischen Streitkräften besetzt. In dem Jahr begann der russisch-ukrainische Krieg, der sich 2022 auf das gesamte ukrainische Territorium ausbreitete. Obwohl manche Krymbewohner die Ideen der „russischen Welt“ befürworten und dem Mythos Glauben schenken, dass die Insel den Russen gehört, haben dort immer viele pro-ukrainische Bürger gelebt. Einige von ihnen sind mit Beginn des Krieges auf das von der Ukraine kontrollierte Territorium umgezogen. Einige ukrainische Patrioten sind dagegen auf der Krym geblieben und leisten der russischen Besatzung Widerstand, obwohl sie Gefahr laufen, festgenommen und inhaftiert zu werden.

Explosion in einem Tanklager in Sewastopol. Foto: Unian.

Verbreitung ukrainischer Symbole

Die pro-ukrainische Position wird meistens mittels nationaler Symbole manifestiert. Am 24. Februar 2023, dem Jahrestag des Russlands Angriffskrieges gegen die Ukraine, hängten Unbekannte eine blaugelbe Flagge an der Eingangssäule zum Hafen Sewastopol auf.

Die ukrainische Flagge an der Eingangssäule zum Hafen von Sewastopol. Foto aus offenen Quellen.

Auch unweit der Stadt Sudak auf der Krym wehte im März 2023 die ukrainische Flagge über einem Mobilfunkmast. Oberst Wladyslaw Nasarow, der Sprecher des Einsatzkommandos „Piwden“, bemerkte, dass die Flagge ein Symbol des Widerstands gegen die russischen Invasoren ist.

Die Buchstabe „Ї“ als Widerstandssymbol. Foto aus offenen Quellen.

Auch Partisanen der Widerstandsbewegung „Gelbes Band“ besprühen Wände mit Graffiti ukrainischer Symbole. So erinnern sie die Besatzer daran, dass die Krym ukrainisch ist. Kürzlich wurden Zeichen in Simferopol, Sewastopol, Jalta und Kertsch gesichtet.

Sabbotage in der russischen Armee. „Atesch“

Im September 2022 entstand die Partisanenbewegung „Atesch“ (vom krymtatarischen „Feuer“), die in den besetzten Gebieten und in der Russischen Föderation aktiv ist. Zu der Organisation gehören Krymtataren, Ukrainer und Russen, die der russischen Armee beigetreten sind, um Daten über die Stellungen und Munitionslager der Besatzer an die ukrainischen Streitkräfte weiterzugeben, Sabotage zu betreiben und die russische Armee von innen zu zerstören.

Symbole der Partisanenbewegung „Atesch“. Foto aus offenen Quellen.

Im Dezember 2022 brannten sie den Stützpunkt der russischen Soldaten in einem Dorf bei Jalta nieder. Im Januar 2023 töteten Partisanen zwei Offiziere der russischen Nationalgarde, die auf der Autobahn von Sewastopol nach Simferopol unterwegs waren. Im Februar sprengten sie Eisenbahnschienen in der Nähe von Simferopol. Anfang Februar 2023 zählte die Mitgliederzahl der Organisation ihren Angaben zufolge rund 2.000 Agenten in den Reihen der russischen Armee und Nationalgarde.

Im Mai 2023 brachen Mitglieder der Atesch-Bewegung in die Hauptbefestigungen der russischen Invasoren nahe der Stadt Jewpatorija ein. Sie sammelten Informationen über die Bereitschaft des Feindes die ukrainischen Landungstruppen vom Schwarzen Meer abzuwehren, wie Ihre Verteidigung organisiert war und wo sie ihre Feuerstellungen positionierten.

Verteidigungsanlagen der Besatzer bei Jewpatorija. Foto aus offenen Quellen.

Darüber hinaus registrierten Aktivisten auf der Autobahn Noworossijsk–Krasnodar und in Krasnoperekopsk die Verlagerung von russischer Militärausrüstung, Munition und Treibstoff. Später wurden die Besatzer auf dem Flugplatz Krasnoperekopsk gezielt von den ukrainischen Streitkräften beschossen. Dort standen S-300-Raketenkomplexe mit einer Reichweite von bis zu 300 km.

Am 18. Mai berichteten Aktivisten über die Detonation von Eisenbahnschienen in der Nähe von Bachtschyssaraj, die für einige Zeit den Eisenbahnverkehr zwischen den Großstädten Sewastopol und Simferopol lahmlegte und die Verlagerung von russischer Militärausrüstung zu den Kampfzonen im Süden der Ukraine eine Zeit lang unterbrach.

Transport schwerer Militärtechnik der Besatzer per Bahn. Foto aus offenen Quellen.

Darüber hinaus schütten Partisanen Sand in den Kraftstofftank der Mannschaftspanzer, wodurch die Fahrzeuge außer Gefecht gesetzt werden, führen Aufklärungsarbeiten durch und beobachten die Besatzungsverwaltungen.

Hinderung der Besatzer und Kollaborateure. „Widerstand der Nation“

Seit dem 3. Februar 2023 ist die Widerstandsbewegung „Widerstand der Nation“ auf der besetzten Krym aktiv. Im selben Monat verbrannten Partisanen in Feodosija ein Auto mit dem aufgemalten Buchstaben „Z“, einem Symbol der russischen Invasion in der Ukraine. Laut Partisanen sei dies kein Einzelfall.

Im März 2023 wurde ein Video über die Befestigungsanlagen auf dem Strand der Stadt Jewpatorija veröffentlicht. Am 18. März wurden von Aktivisten Flugblätter verteilt, die vor möglichen Angriffen auf Besatzer warnten. Die Aktion fand kurz nach dem neunten Jahrestag des russischen Referendums über den Status der Krym statt.

Enthüllung und Bekämpfung der Besatzer auf der Krym. „Krym-Kampfmöven“

Im September 2022 nahm die Widerstandsbewegung „Kampfmöven der Krym“ auf der Krym ihre Aktivitäten auf. Die Mitglieder verbreiteten pro-ukrainische Flugblätter, gaben Koordinaten an ukrainische Streitkräfte zwecks Angriffe auf Besatzer und erinnern die Bevölkerung immer wieder daran, dass die Krym ukrainisch ist und dass die Russen auf der Halbinsel nicht willkommen seien.

Collage zur Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte. Foto aus offenen Quellen.

Im September 2022 machten Aktivisten auf den Fall des politischen Gefangenen Bogdan Ziza aufmerksam, der das Verwaltungsgebäude in Jewpatorija mit blauer und gelber Farbe beschmierte. Sie baten darum, das Video des Mannes in den sozialen Medien mit dem Hashtag #FreeBogdanZiza zu teilen, um seine Freilassung zu beschleunigen.

Aufschrift "Krym, warte auf die Streitkräfte der Ukraine". Foto: Nowynarnja

Im Dezember 2022 kundigten Aktivisten eine Jagd auf Janina Pawlenko, eine Kollaborateurin und die derzeitige Verwaltungsleiterin von Jalta.

Im Januar 2023 veröffentlichten sie die Kontaktdaten von Oleksij Werjowkin aus dem russischen Ischewsk, der seit Beginn des russischen Angriffskrieges Ukrainer:nnen tötet.

Im März und Mai desselben Jahres verbrannten „Krymmöwen“ in Simferopol Autos mit dem Buchstaben „Z“, einem Symbol für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Im April 2023 beschossen Aktivisten russische Stellungen in Sewastopol. Nach ihren Angaben war ihr Angriff gut vorbereitet: Es wurden zahlreiche Aufklärungsarbeiten durchgeführt, bspw. Fahrten über die Halbinsel. Auch wurden feindliche Ziele explizit am 29. April, dem Jahrestag, an dem die ukrainische Flagge erstmals 1918 an den Schiffen der Schwarzmeerflotte gehisst wurde, angegriffen.

Am 29. April 1918 wurden auf den meisten sich im Hafen von Sewastopol befindenden Kriegsschiffen die roten Flaggen gesenkt und die Flaggen der Ukrainischen Volksrepublik (UNR) gehisst. Die russische Schwarzmeerflotte wurde u.a. im Rahmen der Verhandlungen über den sog. „Brotfrieden“ vom 9. Februar 1918 zur Flotte der UNR erklärt. Allerdings schlug die Ausbreitung des ukrainischen Staates an der Schwarzmeerküste aufgrund der späteren Machtergreifung durch die Bolschewiki fehl.

Gewaltloser Widerstand auf der Krym. „Gelbes Band“

Die im April 2022 gegründete Bewegung „Gelbes Band“ spielt eine sehr wichtige Rolle im Widerstand gegen die Besatzer. Diese Bewegung ist sehr einflussreich, denn ihre Mitglieder sind in allen besetzten ukrainischen Gebieten aktiv. Es werden pro-ukrainische Flugblätter verteilt, blaue und gelbe Fahnen auf Straßen gemalt; somit wird daran erinnert, dass die besetzten Gebiete zur Ukraine gehören. Im Jahr 2022 wurde die Bewegung als wichtiger Bestandteil des ukrainischen Widerstands mit dem EU-Menschenrechtspreis (auch Sacharow-Preis genannt) ausgezeichnet.

Graffiti der Widerstandsbewegung „Gelbes Band“. Foto aus offenen Quellen.

Sacharow-Preis

Der nach dem Friedensnobelpreisträger Andrei Sacharow benannte Sacharow-Preis für geistige Freiheit (auch EU-Menschenrechtspreis genannt) wird seit 1988 vom Europäischen Parlament an Persönlichkeiten oder Organisationen verliehen, die sich für die Verteidigung der Menschenrechte und der Meinungsfreiheit einsetzen.

Im Mai 2022 riefen Aktivisten zu einer friedlichen Kundgebung in Simferopol auf, um das Recht auf ihre Heimat einzufordern, der Opfer der Deportation der Krymtataren zu gedenken, die Invasion der Russischen Föderation zu verurteilen und die Souveränität der Ukraine zu unterstützen.

Zwei Monate später wurde die Bewegung „Gelbes Band“ die unbefristete Kampagne „Krym! Es ist Zeit, nach Hause zurückzukehren!“ angekündigt. Aktivisten betonten, dass sie seit acht Jahren darauf warten würden und dass es kaum möglich sei dem Völkermord der Russen an Ukrainern unbeteiligt zuzusehen. Sie forderten Krymbewohner, gelbe Bänder aufzuhängen und Informationen über Bewegungen russischer Streitkräfte mitzuteilen.

Im März 2023 rief die Bewegung „Gelbes Band“ die Krym-Bewohner dazu auf, ihre illegale Mobilisierung in die Reihen der russischen Armee zu vermeiden und verfasste einen Artikel mit entsprechenden Ratschlägen. Aktivisten betonten, dass die Besetzung der Krym nur vorübergehend sei und die Krym-Bewohner wieder in einer demokratischen Ukraine leben würden.

Die Mitglieder der Bewegung hängen in den Städten der Krym pro-ukrainische Flugblätter auf. Auch malen sie patriotische Graffiti und hängen gelbe Bänder auf.

Eine Haltestelle mit Aufschriften zur Unterstützung der Ukraine. Foto aus offenen Quellen.

Pro-ukrainische Aktivisten vertreten ihre Position trotz der Verfolgung durch die Besatzer. Im Mai 2023 berichtete das „Gelbe Band“, dass ein Mitglied der Bewegung, Violetta, die Flugblätter verteilte, Graffiti malte und gelbe Bänder zur Unterstützung der Ukraine anbrachte, vom FSB festgenommen wurde. Die russischen Geheimdienste versuchten sie zu einem Geständnis über ihre Aktionen im Widerstand zu bringen und ihr eine pro-russische Haltung aufzuzwingen. Violeta gestand nicht und änderte ihre Ansichten nicht. Schließlich wurde sie entlassen und konnte in die Ukraine ausreisen.

Violetta, Mitglied der Bewegung „Gelbes Band“. Foto aus offenen Quellen.

Trotz der Lügen russischer Propagandisten, die ganze Bevölkerung der Krym sei für Russland, gibt es auch nach neun Jahren der Besatzung immer noch viele ukrainische Patrioten. Sie warten auf die Befreiung der Halbinsel und sind trotz der Unterdrückung durch die Besatzer auf verschiedene Weise aktiv, um zum ukrainischen Sieg beizutragen. Partisanen steigern die Moral der pro-ukrainischen Bevölkerung in den besetzten Gebieten und verbreiten Panik unter den Besatzern und verringern somit deren Motivation und Kampffähigkeit.

Graffiti auf der Krym – „Die Krym ist Ukraine“. Foto: Ukrinform.

Beitragende

Projektgründer:

Bogdan Logwynenko

Autorin des Textes:

Maryna Kulinitsch

Chefredakteurin:

Natalija Ponedilok

Redakteurin:

Kateryna Lehka

Bildredakteur:

Jurij Stefanjak

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Natalija Wyschynska

Übersetzerin:

Halyna Wichmann

Übersetzungsredakteur:

Oleksiy Obolenskyy

Korrektor:

Mathias Renz

Content-Managerin:

Anastasija Schochowa

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